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Verfahrensablauf in den niedersächsischen Verwaltungsgerichten

Zuständigkeit und Besetzung
Die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit ist zuständig für alle Streitigkeiten zwischen Bürgerinnen und Bürgern einerseits und Behörden andererseits, soweit nicht aufgrund besonderer gesetzlicher Regeln besondere Verwaltungsgerichte (Finanzgerichte und Sozialgerichte), die ordentliche Gerichtsbarkeit oder die Verfassungsgerichte zuständig sind. Das Verwaltunsgericht ist insbesondere nicht dafür zuständig, die Rechtsprechungstätigkeit anderer Gerichte zu prüfen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit gliedert sich in die Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das Verwaltungsgericht Stade ist örtlich zuständig für das Gebiet der Landkreise Cuxhaven, Osterholz, Rotenburg (Wümme), Stade und Verden. Es besteht aus dem Präsidenten, Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern. Die Richterinnen und Richter sind auf Kammern verteilt, die jeweils aus einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern bestehen. An Entscheidungen, die in Form eines Urteils ergehen, wirken neben diesen drei Berufsrichtern noch zwei ehrenamtliche Richterinnen oder Richter mit, es sei denn, die Sache ist rechtlich und tatsächlich einfach gelagert und besitzt keine grundsätzliche Bedeutung. Dann entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter, wenn die Kammer dies beschlossen hat. Auch bei Beschlüssen, die außerhalb der mündlichen Verhandlung getroffen werden, wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit. Die eingehenden Verfahren werden anhand eines Geschäftsverteilungsplanes, der jeweils für ein Jahr gilt, auf die einzelnen Kammern verteilt, innerhalb der Kammern zur Bearbeitung auf die Richter.

Vor einem Klageverfahren
In Niedersachsen kann gegen Entscheidungen der Behörden in vielen Fällen sofort mit der Klage vorgegangen werden. Ein Widerspruchsverfahren ist in der Regel nicht mehr vorgesehen. Ausnahmen gibt es z.B. im Bereich des Schulrechts, Baurechts, Naturschutzrechtes, Wasserrechts und der Rundfunkgebühren. Dann ist eine Klage im Regelfall nur zulässig, wenn dieses Widerspruchsverfahren stattgefunden hat. Die Einzelheiten ergeben sich aus § 8a des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung. Über den vorgesehenen Rechtsbehelf, d.h. ob Klage oder Widerspruch erhoben werden kann, haben die Behörden in ihren Bescheiden zu belehren.
Ausnahmsweise braucht eine Behördenentscheidung nicht abgewartet zu werden, wenn die Behörde über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes oder über einen eingelegten Widerspruch ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Zeit entschieden hat.
In Eilfällen kann das Gericht ein streitiges Rechtsverhältnis auch vorläufig regeln, wenn eine Entscheidung im Widerspruchs- oder Klageverfahren zu spät käme. Das kann bei belastenden Verwaltungsakten (z. B. baurechtliche Abrissverfügung oder Entzug der Fahrerlaubnis) durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung geschehen, wenn der dagegen eingelegte Widerspruch oder die Klage nicht schon kraft Gesetzes diese Wirkung hat. In allen anderen Fällen kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt werden. Auch in diesen Fällen können Sie sich aber nicht sofort an das Gericht wenden, sondern müssen zunächst der zuständigen Behörde Gelegenheit zur Prüfung und Bescheidung Ihres entsprechenden Antrages geben.

Klageerhebung und Eilverfahren
Ein Verwaltungsstreitverfahren (Klage oder Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz) können Sie schriftlich per Brief oder Fax oder dadurch einleiten, dass Sie während der Sprechzeiten bei der Rechtsantragstelle des Gerichts vorsprechen und Ihren Antrag protokollieren lassen. Wählen Sie die schriftliche Form, so sollte aus Ihrem Schreiben mindestens Folgendes hervorgehen:

  • Ihr Name und die vollständige Anschrift,

  • die Bezeichnung des Verfahrensgegners,

  • der Streitgegenstand und der Streitwert,

  • nach Möglichkeit ein konkreter, sachdienlicher Antrag

  • eigenhändige Unterschrift (sehr wichtig!).

Der Versand per E-Mail ist nicht geeignet, um dem Gericht rechtswirksam Erklärungen, Schriftsätze, Rechtsmittel usw. zukommen zu lassen. Bitte senden Sie uns daher derartige Post ausschließlich schriftlich oder per Telefax zu.
Wenn es an einem dieser Punkte fehlt, laufen Sie Gefahr, dass Ihre Klage oder Ihr Antrag als unzulässig angesehen wird. Allerdings besteht in vielen Punkten die Möglichkeit einer Nachbesserung.
Eine Klage- bzw. Antragsbegründung müssen Sie nicht sogleich vorlegen; sie kann später nachgereicht werden. Ab dem 01.07.2004 müssen Sie in Klageverfahren vor den Verwal-tungsgerichten die Verfahrensgebühren sogleich zu Beginn des Verfahrens zahlen. Sie erhalten hierüber eine Kostenrechnung. Endgültig abgerechnet wird nach Beendigung des Verfahrens. Streitigkeiten aus dem Gebiet der Sozialhilfe, der Jugendhilfe, der Kriegsopfer-fürsorge, des Schwerbehindertenrechts sowie der Ausbildungsförderung und des Asylrechts sind von vornherein gerichtskostenfrei.
Schließlich müssen Sie mit der Führung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch keinen Rechtsanwalt beauftragen, denn bei den Verwaltungsgerichten erster Instanz besteht kein Anwaltszwang. Jeder prozessfähige Bürger kann selbstständig ein Verfahren betreiben. Das hat den Vorteil, dass Ihr Prozessrisiko geringer ist, weil Sie im Falle des Unterliegens zumindest nicht die Kosten für Ihren Anwalt tragen müssen. Sollten Sie aber dennoch einen Rechtsanwalt beauftragen wollen, gibt es auch finanzielle Hilfen, wenn und soweit Ihre eige-nen Mittel nicht ausreichen. Diese Hilfe (Prozesskostenhilfe) wird aber nur bewilligt, wenn die Klage oder ein Antrag hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe brauchen etwaige Gerichtskosten und die Kosten des eigenen Anwalts entweder überhaupt nicht oder – bei entsprechenden finanziellen Verhältnissen – nur in Ratenbeträgen gezahlt zu werden. Geht allerdings der Prozess verloren, schützt die Prozesskostenhilfe nicht davor, von der Gegenpartei auf Erstattung der ihr gegebenenfalls entstandenen Anwaltskosten in Anspruch genommen zu werden.

Verfahrensgang nach Klageerhebung
Nachdem Sie die Klage – persönlich oder durch einen Sie vertretenden Rechtsanwalt – erhoben haben, erhalten Sie zunächst eine Eingangsmitteilung. Gleichzeitig werden Sie aufge-fordert, die Klage zu begründen, soweit dies noch nicht geschehen ist. Im weiteren Verlauf des Verfahrens werden Ihnen die schriftlichen Äußerungen Ihres Verfahrensgegners übermittelt, zu denen Sie Stellung nehmen können. Sollte das Gericht noch weitere Informationen oder Äußerungen eines Beteiligten benötigen, wird es sich direkt an Sie oder Ihren Gegner wenden.
Nachdem sich das Gericht durch die ausgetauschten Schriftsätze über die zu entscheidende Streitfrage hinreichend informiert hat, wird in der Regel ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt werden. Im Einverständnis mit den Beteiligten kann eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird durchweg ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Zum Termin einer mündlichen Verhandlung werden Sie rechtzeitig – wenigstens zwei Wochen vorher – geladen. Sie oder Ihr Bevollmächtigter brauchen im Verhandlungstermin nicht anwesend zu sein, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen eines Verfahrensbeteiligten nicht besonders angeordnet hat. Das Gericht kann auch ohne Sie verhandeln. Dies sollte jedoch die Ausnahme sein. Wenn Sie nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen möchten, sollten Sie auf deren Durchführung verzichten. Das Gericht entscheidet dann – sofern der Rechtsstreit nicht zuvor einem Mitglied der Kammer als Einzelrichter übertragen worden ist – in voller Besetzung im schriftlichen Verfahren.
Findet eine mündliche Verhandlung statt, beginnt diese mit dem Aufruf zur Sache. Zunächst wird der Vorsitzende Richter bzw. die Vorsitzende Richterin die Anwesenheit der erschienenen Beteiligten protokollieren. Im Anschluss daran wird der für die Bearbeitung Ihres Verfahrens zuständige Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Unterlagen referieren. Dabei sollten Sie gut aufpassen, um im Anschluss an den Sachbericht etwaige Ergänzungen oder Korrekturen anzubringen.
Meist schließt sich vor der Stellung der Anträge zunächst noch ein Rechtsgespräch an. Dies kann damit eingeleitet werden, dass das Gericht die Beteiligten auf die Probleme des Falles hinweist. Gegebenfalls lassen die zur Entscheidung berufenen Richter dabei auch erkennen, wie sie die Sachlage nach der Vorbereitung einschätzen. Dies heißt indes nicht, dass die Richter voreingenommen bzw. befangen seien oder schon eine unumstößliche Entscheidung getroffen hätten. Nutzen Sie vielmehr diese Gelegenheit und gehen Sie mit Ihren Argumenten auf die vom Gericht geäußerte Rechtsauffassung ein, um eine ihnen günstige Entscheidung, bei deren Zustandekommen auch die ehrenamtlichen Richter volles Stimmrecht haben, zu erreichen.

Wenn alles gesagt ist und die Anträge, die das Begehren der jeweiligen Beteiligten zum Ausdruck bringen, gestellt sind, schließt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich nun zur Beratung zurück und verkündet in den meisten Fällen noch am selben Tag eine Entscheidung. Oft sind jedoch nicht nur Ihre, sondern auch noch andere Sachen zu beraten, sodass sich nicht immer absehen lässt, wann es genau zur Verkündung kommen wird. Sie erleiden keinen Nachteil, wenn Sie das Gericht nach der mündlichen Verhandlung verlassen und das Ergebnis am nächsten Tag telefonisch bei der Geschäftsstelle der erkennenden Kammer erfragen. Außerdem bekommen Sie oder Ihr Prozessbevollmächtigter natürlich auch ein Protokoll der mündlichen Verhandlung und später die schriftlich abgefasste Entscheidung zugestellt. Erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des begründeten Urteils läuft die Rechtsmittelfrist.

Formen der gerichtlichen Entscheidung
Nach einer mündlichen Verhandlung ergeht üblicherweise ein Urteil. Im Einverständnis der Beteiligten kann auch ohne mündliche Verhandlung im so genannten schriftlichen Verfahren ein Urteil gesprochen werden.
Im schriftlichen Verfahren kann über eine Klage außerdem durch Gerichtsbescheid entschieden werden, wenn es sich um eine tatsächlich und rechtlich einfach gelagerte Sache handelt und der Sachverhalt geklärt ist. Eine solche Entscheidung, die ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter ergeht, bedarf nicht der Zustimmung durch die Verfahrensbeteiligten. Zu diesen Voraussetzungen sind die Beteiligten vorher anzuhören.
Die wichtigsten Verfahren, in denen durch Beschluss und damit ebenfalls ohne die Beteiligung ehrenamtlicher Richter entschieden wird, sind die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

Rechtsmittel
Gegen Urteile und Gerichtsbescheide ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben, das der Zulassung durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg bedarf. Gegen Beschlüsse ist im Einzelfall die Beschwerde statthaft. Hierüber gibt die Rechtsmittelbelehrung Aufschluss. Aus der Rechtsmittelbelehrung ist außerdem zu ersehen, ob Sie für die Einlegung des Rechtsmittels einen Rechtsanwalt oder einen anderen qualifizierten Bevollmächtigten benötigen. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes, die nicht in der Form eines Beschlusses ergeht, ist die Revision zum Bundesverwaltungsgericht möglich, die im Einzelfall zuvor einer Zulassung bedarf.

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